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Dienstag, 11. November 2014

L'Aquila Geologen Urteil aufgehoben

Hinweis: Die Rosetta Kometen Landung im Live Stream auf Kanaren News

Freispruch im L'Aquila Geologen Urteil gestern


Am 6.April 2009 erschütterte ein starkes Erdbeben von über ML6,0 die 70.000 Einwohner Stadt  L'Aquila in Italien. Es gab 319 Tote und über 1500 Verletzte und viele Häuser und Gebäude stürzten ein und sind bis heute nur zum Teil wieder aufgebaut (Foto: Wiki/Insilvis). Alle Mitglieder der Risiko- Kommission  (Katastrophenstab) die für die Warnung und Sicherheit der Bewohner zuständig waren, wurden zu langjährigen Haftstrafen von 6 Jahren verurteilt. Wider besseren Wissen sollen sie den Anwohnern eine falsche Sicherheit vorgespielt haben und so den Tod vieler Menschen billigend in Kauf genommen haben.
Unter den Wissenschaftlern brach über das L'Aquila Geologen Urteil ein Sturm der Entrüstung los - siehe dazu Beitrag "Entrüstung unter Geologen"

Jetzt hat ein italienische Berufungsgericht alle sieben Geologen und lokalen Politiker dieser Risiko-Kommission in zweiter Instanz freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

War das erste L'Aquila Geologen Urteil vielleicht zu hart, ist jetzt der völlige Freispruch ein Skandal. An der Sach- und Beweislage hat sich inzwischen nichts geändert. Doch kommen nun andere Richter zu einer völlig anderen Meinung. 
Die Stimmung unter den betroffenen Einwohnern und Angehörigen ist entsprechend.


Die L'Aquila Toten haben dafür sicher kein Verständnis


Es schreit förmlich danach, dass die Hinterbliebenen für Gerechtigkeit sorgen.
Auch Wissenschaftler und Politiker müssen für ihre Entscheidungen gerade stehen. Keiner zwingt einen Geologen in diesem Krisenstab mitzuarbeiten. Die Mitglieder werden für ihre Tätigkeit im Stab entlohnt. Es war sicher keine einfache Entscheidung - aber Vorzeichen einfach zu ignorieren und zahlreiche Menschen in ihren Häusern zurück zulassen und dem Risiko einer Verletzung oder gar dem Tod auszusetzen, muss auch gesühnt werden. Siehe auch Erdbeben - Fehleinschätzung und die Folgen


Nur der kleine aber wichtige Hinweis auf die Möglichkeit, dass ein stärkeres Beben nicht ganz auszuschließen sei, hätte gereicht. Viele Bewohner hätten es sicher vorgezogen bei Freunden oder im Pkw außerhalb der eigenen vier Wände zu übernachten. Die Opferzahl wäre sicher niedriger ausgefallen. 
Nur um Panik zu vermeiden, wurde wissentlich dieses Risiko eingegangen. Auch deutsche Geologen sind inzwischen dieser Meinung - siehe dazu das Interview mit Prof. Rainer Kind vom Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam.

Das Vertrauen in die italienische Justiz würde noch weiter schwinden, wenn das Urteil so Bestand hätte. Aufgerüttelt wurden durch das L'Aquila Geologen Urteil aber europaweit die entsprechenden Gremien. Nicht jede Entscheidung, egal aus welchen politischen Gründen auch immer, wird mehr als "Gottgegeben" hingenommen.

Ehrlichkeit, umfassende offene Kommunikation und auch das eingestehen von fehlenden Erkenntnissen ist allemal besser, als den Tod von Menschen zu riskieren. Der Bürger ist heute mündig keine Halbwahrheiten oder Märchen aufgetischt zu bekommen. Er möchte seinen Politikern und eingeschlossen in diesem Fall auch den "Fachleuten" vertrauen und nicht ständig belogen oder besänftigt werden.

Ich weiß es ist ein frommer Wunsch, aber mein Verständnis von sachgerechter Information und Aufrichtigkeit. Anderen Menschen zu helfen und sie vor drohenden Gefahren zu warnen, ist nicht nur ein Job mit fester Arbeitszeit, sondern sollte auch eine Berufung sein.

Donnerstag, 28. Februar 2013

El Hierro Vulkan - Konsequenzen in Italien

NEWS: - 17.10 Uhr neuer Erdstoß von ML1,6 in 18 km Tiefe an der Steilküste von El Julan im Süden.

Unter El Hierro bleibt es weiter ruhig und ohne neue Beben.

Schlagzeilen erzeugte im Herbst 2012 eine Entscheidung des Gericht von L'Aquila in Mittelitalien das 6 Vulkanologen/Seismologen und einen Behördenvertreter wegen fahrlässiger Tötung für 6 Jahre ins Gefängnis schickte.
Den Fachleuten wurde vorgeworfen trotz klarer Anzeichen und Vorbeben die Bevölkerung über die Gefahr weiterer und schwererer Beben im Unklaren gelassen zu haben.
Sie sollen Mitschuld am Tod von 29 Bewohner von L'Aquila haben. Bei der Tragödie starben insgesamt 300 Menschen und viele Bewohner wurden verletzt.

Der Tagesspiegel hat unter  "Verschobene Verantwortung" einen interessanten Bericht zur Urteilsbegründung, die erst jetzt bekannt gegeben wurde, veröffentlicht.

Nicht die unmögliche Vorhersage eines starken Beben, sondern die unvollständige, ungenaue und widersprüchliche Informationen zur Natur, Ursache, Gefahr und künftigen Entwicklung der seismischen Aktivität seien für das harte Urteil ursächlich. Die Angeklagten hätten damit ihre gesetzliche Informationspflicht verletzt.
Zum gesamten Artikel geht es hier.

Es ist natürlich für die Wissenschaftler nicht gerade einfach Verhaltensregeln für die Zukunft aufzustellen. 
Evakuierung Ja oder Nein. Passiert nichts, war es überzogen. Gibt es aber Verletzte oder gar Tote kommt die Frage der Haftung oder gar strafrelevante Tatbestände zum Zuge.

Es ist zumindest in Deutschland oder Spanien keine kollektive Entscheidung. Hier sitzt dem Krisenstab ein Vorsitzender vor, der nach Abwägung und Einschätzung seiner Berater (Geologen, Vulkanologen usw.), eigenständig die Entscheidung fällt.  
Er ist alleine für die Folgen verantwortlich oder im Erfolgsfall ein Anwärter für den Verdienstorden.
Beim Vorsitzenden des Krisenstab/Pevolca handelt es sich in beiden Ländern um einen Beamten oder/und einen Politiker. Haftungsrechtlich sieht es hier dann wieder ganz anders aus. In Ausführung seiner hoheitlichen Aufgaben wird er nicht wie ein Normalbürger strafrechtlich belangt. 
Mir ist zumindest bisher noch kein Fall bekannt geworden, daß der Vorsitzende eines Krisenstabes strafrechtlich für eine Fehlentscheidung verurteilt wurde.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

El Hierro Vulkan - die Entscheidung eines Krisenstabes

NEWS:
19.30 Uhr - ein ML1,6 Beben um 16.22 Uhr in 11 km Tiefe im Golfo beim Tanganasoga


 
Alles im grünen Bereich. Die "Vulkanampel", die die Bewohner vor Gefahren durch Vulkan- und Erdbeben warnen soll, steht seit Ende Juli 2012 wieder für die gesamte Insel auf "Grün". Auch ein Blick heute auf die IGN Seismo Aufzeichnungen ergibt ein ruhiges (leeres) Bild. Seit gestern Mittag um 12.00 Uhr sind alle Seismografen der Kanaren ausgefallen bzw. die Übertragungswege gestört. Es gab also auch gestern nach den Diagrammen keine weiteren Beben. Hoffen wir, daß im Laufe des heutigen Tages dieser Schaden behoben wird. Nicht ganz so "Grün" ist die Stimmung unter den Wissenschaftlern, insbesondere unter den Vulkanologen und Geologen nach dem Gerichtsurteil von Italien.



Können Geologen für eine Fehleinschätzung bestraft werden?


Wird sich nun überhaupt noch ein Wissenschaftler öffentlich äußern und seine fachliche Einschätzung zur Lage und deren wahrscheinlich künftigen Entwicklung kundtun?
Ja, das wird er weiter tun, mit der kleinen Einschränkung - solange er nicht in Amt und Würden, also Mitglied eines Krisenstabes ist.

Hier dürfte es in Zukunft schwer sein geeignete Wissenschaftler für diesen Job zu finden. Es war wohl nur ein Urteil in Italien, das aber sehr schnell Schule auch in anderen Europäischen Ländern machen kann. Alle demokratischen Staaten in Europa sind mit ähnlichen Rechtssystemen ausgestattet. Bei der "Klagewut" der Deutschen ist es nur eine Frage der Zeit bis das erste Verfahren anhängig ist.

War es aber gerechtfertigt kollektiv alle Mitglieder dieser Risikokommission gleich hart zu bestrafen?
Natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an welche Schuld das einzelne Mitglied nach Meinung des Gerichtes auf sich geladen hat. Auch ein Verschweigen oder das Herunterspielen von erkannten Tatsachen oder Entwicklungen und eine damit verbundene Fehlentscheidung mit Opfern kann strafbar sein. Dies gilt auch heute schon in Deutschland, Spanien und Italien.

Um die Problematik einer Fehleinschätzung und die Haftungsfolgen besser zu verstehen, möchte ich das einmal am Beispiel eines deutschen Katastrophenschutzstab verdeutlichen. Ich spreche oder schreibe hier aus eigener Erfahrung. Über 20 Jahre war ich im Katastrophenschutz tätig, davon mehrere Jahre als Fachberater (Rotkreuzbeauftragter) im Katastrophenstab eines Landkreises.
Das Schema unten zeigt den Aufbau eines Stabes.

Geführt wird der Krisenstab vom Oberbürgermeister oder Landrat oder einem beauftragten Vertreter des entsprechenden Gebietes. S1 bis S6 sind administrative Aufgaben die meist von Beamten der Verwaltung wahrgenommen werden. Dies ist praktisch der politische Kopf der die Entscheidung trifft und auch die entsprechenden Anweisungen - die bindend sind - gibt.

Beigeordnet sind nun in der unteren Leiste die so genannte Fachberater. Das sind ständige Mitglieder, wie Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz oder je nach Katastrophenfall auch Atomwissenschaftler, Luftfahrtexperten oder bei Erdbeben auch Geologen oder Vulkanologen.

Diese Fachberater beraten nun nach bestem Wissen den Leiter des Stabes. In der Regel wird der Leiter des Krisenstabes dem Fachurteil des Experten folgen. Er kann die vorgeschlagenen Maßnahmen übernehmen - muß sie aber nicht.
Es ist seine freie Entscheidung ob er andere für ihn wichtige Aspekte in seine Entscheidung einfließen lässt.
Das können Gründe wie z.B. eine vorgeschlagene Evakuierung wegen Panik der Einwohner zu verschieben oder auch wirtschaftliche Gründe sein.
Es ist eine politische Entscheidung die der Leiter zu treffen hat, ohne den Rat seiner Fachberater zu berücksichtigen.
Hier genau ist der Knackpunkt zwischen dem vielleicht erfolgten Rat der Geologen und den tatsächlich veranlassten Maßnahmen.

Der Krisenstab tritt nach Außen als ein einheitliches Gebilde auf, auch wenn unterschiedliche Meinungen vorherrschen.

Auch bleibt es dem Leiter des Krisenstab vorbehalten, welche Experten er in seinen Stab überhaupt beruft. Wie wir das bei der Pevolca auf El Hierro erlebt haben, wurde nur ein Vertreter der staatlichen IGN als Berater aufgenommen.
Andere genauso gute oder vielleicht sogar bessere Experten wie Involcan oder der Vulkanologe Dr. Juan Carlos Carracedo wurden erst gar nicht gefragt.
Schon die Zusammensetzung von "angenehmen" Beratern entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg solch eines Stabes.

Solange alles gut funktioniert und kein Mensch zu Schaden kommt finden die Entscheidungen des Krisenstabes auch bei den Anwohnern Zustimmung.
Bei den ersten Opfern kann diese Meinung jedoch sehr schnell umschlagen und sich wie jetzt in Italien gebärden.

Da ich davon ausgehe, daß in Italien die Struktur eines Krisenstabes vergleichbar ist, kann nicht ein Berater für die Entscheidung seines Leiters dem er nur zuarbeitet, bestraft werden.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

El Hierro - Entrüstung unter den Geologen

NEWS:
Auch gestern und in der vergangenen Nacht kein weiteres Beben unter El Hierro. Die Lage ist ruhig und die weitere Entwicklung muß jetzt erst einmal abgewartet werden.

Nicht ganz so ruhig geht es im Augenblick unter den Wissenschaftlern zu.

"Geologen können Erdbeben nicht vorhersagen"


"Ich sehe keine Möglichkeit mehr in Ruhe und Frieden in dieser Kommission weiter zu arbeiten" sagt der Vizedirektor Mauro Rosi von der höchsten italienischen Risikokommission (Krisenstab) nach dem Rücktritt seines Direktor Luciano Maiani. Mit ihm traten der Direktor des Institut für BauTechnologie, der Sektion von chemischen Risiken und des Institut für Naturgefahren von ihren Posten im Krisenstab zurück.
Über drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im italienischen L'Aquila wurden im Strafprozess am Montag alle sieben Angeklagten, sechs Wissenschaftler und ein Behördenvertreter - der Leiter des Krisenstabes - zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auch werden die Wissenschaftler lebenslang von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, die Gefahr des Erdbebens im April 2009 unterschätzt zu haben, bei dem 309 Menschen ums Leben kamen und Tausende verletzt wurden.

Die Geologen und der Beamte der Zivilschutzbehörde  hätten die Anwohner rund um L'Aquila nur „ungenau, unvollständig und widersprüchlich“ über die Gefahren eines Bebens informiert, die tatsächliche Lage herunter gespielt und so den Tod vieler Menschen einfach in Kauf genommen., so die Begründung der Anklage.
 

DDie Kirche "Chiesa delle Anime Sante di L'Aquila" (Foto Wikipedia) nach dem Beben. Sie hat noch am Besten die starken Erschütterungen überstanden.

Bereits Tage vor dem Beben berief der Leiter des Zivilschutz den Krisenstab, darunter Italiens führende Seismologen, in L'Aquila zusammen. "Wir werden jeden Schwachkopf zum Schweigen zu bringen der vor einem großen Beben warnt" - war seine Vorgabe, wie Tonaufnahmen belegen. Die anwesenden Wissenschaftler schwiegen, wider besseren Wissen. Wie etwa der anerkannte und in Fachkreisen geschätzte Direktor Enzi Boschi des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie. Er war es, der bereits 1995 vorhersagte, daß „innerhalb von 20 Jahren“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit es zu einem Großbeben in L'Aquila kommen werde. Davon war auf dem Krisentreffen von ihm nichts mehr zu hören. Zu seiner Verteidigung erklärte er vor Gericht: Herr des Verfahrens“ sei eben die Zivilschutzbehörde gewesen: "Wenn die mich bitten, dieses oder jenes zu sagen, dann sage ich das.“
 

Meinung der Wissenschaft zum Urteil

Nicht nur in Italien sondern in ganz Europa ist die Empörung groß. Hier einige Auszüge:
 
"Ein derart hartes Urteil, bei dem zudem noch alle angeklagten Experten über einen Kamm geschoren werden, hätte ich in einem Rechtsstaat nicht für möglich gehalten", sagte Marco Bohnhoff, Professor am Geoforschungszentrum in Potsdam.
 
Herbe Kritik an der Verurteilung der Geologen kommt auch von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). „Ich halte das für ein krasses Fehlurteil“, erklärte Christian Bönnemann, der Leiter des Seismologischen Zentralobservatoriums der BGR „Die Wissenschaft ist nicht in der Lage, Erdbeben vorherzusagen. Möglicherweise wird das auch nie gelingen.“
 
Peter Herzig, Direktor am Kieler Geomar-Institut, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, sagte, eine Vorhersage von Erdbeben sei "mit letzter Sicherheit" nicht möglich. Man habe zwar Anzeichen für Naturkatastrophen, aber "das ist keine Wissenschaft, in der man zwei und zwei zusammenzählt, und dann kommt vier heraus". Solche Vorhersagen könne niemand treffen.
 
Auch aus der Schweiz gab es Kritik. „Wir werden in Zukunft noch vorsichtiger kommunizieren müssen“, sagte der Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes, Stefan Wiemer. Die italienischen Kollegen hätten wissenschaftlich gesehen alles richtig gemacht.
 
"Wissenschaftler müssen einfach korrekt die Ergebnisse wiedergeben - mehr nicht", sagte der Geophysiker Jochen Zschau vom Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Leute zu beruhigen. "Das ist Aufgabe des Zivilschutzes oder anderer." Der Experte begrüßte, dass das Urteil eine Diskussion über die unsicheren Erkenntnisse der Wissenschaft anrege.
 
Von den direkt Betroffenen in L`Aquilar hört man im Gegensatz dazu nun Erleichterung:
 
"Endlich ein wenig Gerechtigkeit für L'Aquila" so der ehemalige Präsident der Provinz Stefania Pezzopane.
"Warum stahlen uns die Experten die natürliche Angst". Wir hätten uns rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Die Experten wiegten uns aber in Sicherheit. Nun müssen die Wissenschaftler für die Politiker als Sündenböcke den Kopf hinhalten - so ein Anwohner.
 
... und genau hier, an der Schnittkante zwischen Wissenschaft und Politik - liegt der eigentliche Knackpunkt. Damit werde ich mich in den nächsten Tagen etwas Näher noch beschäftigen.

Mittwoch, 29. Februar 2012

El Hierro Vulkan - die Insel schlottert

NEWS:
Still und verträumt empfängt La Restinga die ersten Sonnenstrahlen an diesem Mittwoch Morgen. Es war eine klare und kalte Nacht mit Temperaturen um die +11°. Für El Hierro eine der kältesten Nächte des Jahres. In Anbetracht, daß in keinem Haus eine Heizung installiert ist, fällt auch in den Wohn- räumen schnell das Thermometer auf unter +14° ab. Nur eine zusätzliche Wolldecke, zwei Pullover und eine Rumflasche auf dem Tisch lassen diese Nächte überstehen. Für einen Nordeuropäer auf den ersten Blick vielleicht noch erträgliche Temperaturwerte. Wenn es aber keine Rückzugs- möglichkeit zu einer Wärmequelle gibt und die Luftfeuchtigkeit zwischen 70 und 80% liegt, nichts für Weicheier. Kurzum, die ersten Sonnenstrahlen werden gesucht um sich wieder etwas aufzuwärmen. Dies ist auch die Zeit, wo die meisten Herrenos hüstelnd, Nase triefend und schlotternd durch die Lande laufen.
Der Eldiscreto stößt weiter in geringeren Mengen Gase und Lava aus. Nachdem alle Webcams seit gestern Nachmittag wieder funktionieren sind auf die Ferne leichte Meeresverfärbungen auszumachen. Einen genauen Überblick verschaffen aber nur Luftaufnahmen. Vielleicht startet die Involcan heute wieder einen Rundflug und liefert uns entsprechende Luftaufnahmen der Aktivität. Gestern 8 Beben (siehe Avcan Karte), heute Morgen bereits wieder 3 Erdstöße von geringer Intensität bis ML1,3.
Auch von der Pevolca (Krisenstab) gibt es seit gestern eine neue Lageeinschätzung:
Danach befindet sich der Vulkanschlot noch 100 m unter der Meeresoberfläche. Er ist weiter aktiv, aber auf dem Wege der Normalisierung. Es gibt eine deutliche Verringerung der Seismitität, der Verformung der Inseloberfläche und der Präsenz von Gasen. Die Pevolca glaubt in Übereinstimmung mit der IGN (Instituto Geografico National) nicht mehr an ein Aufleben der Vulkanaktivität.
Trotzdem wird das Geschehen weiter rund um die Uhr genauestens beobachtet. Ein Restrisiko bleibt also weiter bestehen.

Sonntag, 8. Januar 2012

El Hierro Vulkan - Der Eldiscreto zeigt sein Gesicht

NEWS: Gestern 7 kleinere Beben unter 1,5 RSk. unter El Hierro.


Der gestrige Samstag war ein interessanter und zugleich sehr beeindruckender Tag. Erstmals zeigte der Vulkan seine in ihm steckende Kraft und Energie. Fast den ganzen Tag über sprudelte und kochte das Meereswasser über seiner Eruptionsstelle. Diese Involcan Aufnahmen entstanden gegen 14.00 Uhr in einer relativ ruhigen Siesta Phase und zeigen doch mit welcher Gewalt und Intensität unser Eldiscreto im Moment zugange ist. Ich schätze den Durchmesser der auf dem Bild zu sehenden Eruption auf 200- 300 m. Gegen Abend spuckte er wieder vermehrt rauchende und dampfende Lavaklasten aus, die das ganze Szenario noch beeindruckender erscheinen ließen. Zu beobachten war nicht nur aufsteigender weißer Wasserdampf, sondern zeitweise auch schwarzer Rauch, der von noch brennenden oder glühenden Lavabrocken aus dem Kraterschlund stammen muß. Die Austrittsöffnung des Vulkan dürfte sich daher nicht mehr all zu weit unter der Meeresoberfläche befinden.


So sah von Land bzw. über die Webcam die Aktivität des Eldiscreto gegen Abend aus. Als Beobachter hatte man das Gefühl als wenn das Wasser über der Austrittsstelle kocht und seinen Siedepunkt längst überschritten hat. Aus der Seitenperspektive konnte jedoch nicht das gesamte Ausmaß der Eruption eingeschätzt werden. Erst das aus dem Guardia Civil Hubschrauber gedrehte Eldiscreto-Video vermittelt einen Gesamtüberblick über die gestrigen Geschehnisse.

Es stellt sich natürlich jetzt die Frage, wann und ob es zu einer phreatischen Eruption (Wasserdampfexplosion) kommt. Die offiziellen Stellen und hier wäre der Krisenstab (Pevolca) gefragt, hüllen sich in Schweigen oder sind von der Bildfläche verschwunden.

Was haben die ganzen Vermessungen der Forschungsschiffe ergeben?
Warum gibt es keine Unterwasser Reliefaufnahmen?
Wie weit hat sich der Vulkanschlot nach oben voran geschraubt?

Fragen über Fragen - aber keine Antwort. Gibt es etwas zu verbergen oder haben die Behörden darauf überhaupt keine Antwort! So ist wieder einmal der Spekulation Tür und Tor weit geöffnet.
Die weiteren Stunden und Tage dürften auf jeden Fall spannend bleiben und es besteht nun doch die Chance auf die Geburt einer neuen Insel - und das können wir hautnah vielleicht miterleben.
treibende Lavaklasten von mehreren Metern im Durchmesser


Einen interessanter Artilel zu El Hierro habe ich in Natur+Technik gefunden:
Tanz auf dem Vulkan
Der jüngste Vulkan Europas verändert die Öko-Modellinsel El Hierro.

Es brodelt, es zischt. Permanent stößt El Discreto, so der Name des aktiven Vulkans, Lava aus. Noch liegt er unter Wasser, aber er arbeitet sich stetig aus den Tiefen des Meeres nach oben, täglich rund sieben Meter. Es kommt nicht oft vor, dass Neuland - im wahrsten Sinn des Wortes - entsteht. Auf El Hierro, der kleinsten der Kanarischen Inseln, geschieht es gerade. "Wir bekommen ein neues Kind", sagen die Herreños stolz über ihren jüngsten Vulkan. - weiterlesen in Natur+Kosmos

Samstag, 12. November 2011

El Hierro Vulkan - Zwischenbilanz

Was wissen wir von unserem Südvulkan bei La Restinga: Es sind mehrere Vulkanschlote, mit mindestens zwei Öffnungen, wahrscheinlich aber noch mehrere. Der Ältere (Bild) davon liegt mit seiner Basis auf ca. 300 m Tiefe, hat einen Basisdurchmesser von annähernd 700 m und eine Höhe von ca.100 m. Der Gipfel liegt also 200 m unter der Meeresoberfläche. Ausgestoßen wurden nach Schätzungen der Wissenschaftler bisher über eine Million qm³ Material. Durch die jüngsten Eruptionen soll er seine Gipfelhöhe aber nicht wesentlich ausgebaut haben.
Der zweite Schlot liegt ca 800- 1000 m vor Restinga. Er dürfte wegen der größeren Ausstoßhöhe seiner Lava bis 35 m über die Meeresoberfläche nur ca. 100 m tief liegen. Über den jüngsten Schlot wurden bisher keine genauen Daten veröffentlicht.
Ein neues Video des Ozeanischen Institut von der Erforschung mit dem ROV-Roboter wurde freigegeben. Wegen der schlechten Sicht von nur 0,80 m sind nur wenige Details zu erkennen.




Der Tremor hat sich über Nacht verstärkt und zeigt starke Schwankungen. Die größeren Ausbuchtungen dürften von Explosionen stammen, die während des Lavaflusses immer wieder auftreten. Die Bebenaktivität im Golfo hält nach wie vor an, allerdings im moderaten Rahmen. Die Erdstöße liegen in einer Tiefe von 16- 23 km. Es gab in den vergangenen Stunden keine Erdstöße von mehr als 3,0 RSk.

Eine Darstellung von Carlos Bernal (ein Danke) zeigt die Beben der vergangenen 14 Tagen auf der Google Karte. Im Süden an den jetzigen Eruptionsstellen kaum Beben, dafür eine massive Konzentration (rot) im Golfo. Darunter liegt nach Schätzungen und Messungen der Wissenschaft auch die Hauptmagmakammer. Rechts die Insel La Gomera und oben mit der Spitze mein La Palma.

Getroffen haben sich vor einigen Tagen die an der Untersuchung und Erforschung beteiligten Institutionen mit der Verwaltung - sprich dem Krisenstab. Viel Kritik über mangelnde Zusammenarbeit, schlechter Informationsaustauch und die anfängliche Beratung des Stabes durch nur eine Fachrichtung war der Anlass. Man hat sich wie zu hören war geeinigt und alle wissenschaftlichen Meinungen nun zusammengefasst. Dies zeigt sich auch an der jetzt doch offenen Informationspolitik. Verabschiedet hat man sich nun von der Verharmlosungs- und Besänftigungspolitik. Klar zeigt man jetzt drohende Gefahren und die evtl. Konsequenzen auf. Dafür gibt es ein Lob an den Krisenstab.

Montag, 31. Oktober 2011

El Hierro Vulkan - in der Ruhe liegt die Kraft

Die Bebenaktivität im Golfo hält weiter an. Zu erwähnen sind, neben den schwächeren Beben, zwei Erdstöße mit mehr als 3,0 auf der Richterskala.
Ein Beben um 2.13 Uhr mit 3,4 RSk. und um 7.13 mit 3,1 RSk. Das gemessene Bebenzentrum lag vor der Golfoküste in 20 bzw. 22 km Tiefe. Im Grunde also keine Veränderung der Situation. Der Tremor (Magmafluss) läuft harmonisch weiter.

Die Entscheidung des Krisenstabes (Pevolca) von gestern Abend, nach dem die jetzige Lage als sicher für die Anwohner angesehen wird und daher keine weiteren Sicherungmaßnahmen notwendig seien, stößt erwartungsgemäß auf Unverständnis.


Foto: La Provincia
Um den Krisenstab einmal zu Personifizieren. Wir haben links den Inselpräsidenten von El Hierro Alpido Armas, Mitte Juan Santana (Vertreter der kanarischen Gesamtregierung) und die Dame rechts: Carmen Morales (Sicherheitsbeauftragte von El Hierro).

Das ist quasi der politische Kopf des Krisenstabes. Die Wissenschaft, wie das Geologische Institut (IGN) oder die CSIS, bringen als beratende Institutionen ihr Wissen und ihre Vorschläge in dieses Gremium ein.
Massive Kritik hagelt es von der Gemeinnützigen Organisation AVCAN (Asociacion Vulcanologia de Canarias). Ein Zusammenschluss von Vulkanologen, Geologen und Hobby- Vulkanologen. Seit vielen Jahren engagiert sich diese Organisation um die Vulkanologie der Kanaren.

"In einem offenen Brief  kritisiert sie den Krisenstab vorhandene wissenschaftliche Ressourcen wie Meeresbiologen, Chemiker und anderes Fachpersonal und Institutionen nicht beteiligt und in ihre Entscheidungen einbezogen habe. Wertvolle neue wissenschaftliche  Erkenntnisse über die Entstehung eines Unterwasservulkan seien daher nicht gewonnen worden und nun für die Forschung verloren. Auch hätten so manche Entscheidungen des Stabes anderst ausgesehen. Verschwendete Zeit, mangelnde Erfahrung und die Missachtung und die Nichtnutzung von vorhandenem Sachverstand hätten nun zu einem Vertrauenverlust in der Bevölkerung und den Medien geführt.
Dem Krisenstab muß klar sein, daß er den Überblick und die ganze Dimension über die tatsächliche Lage, aus Mangel an wissenschaftlichen Wissen, nicht hat.
Die Bevölkerung ist heute anspruchsvoll und verlangt eine umfassende Erklärung. Ein Beispiel sollte man sich an anderen Ländern nehmen, die ähnliche Krisensituationen bewältigt haben."

Auffallend ist auch, daß nur spanische Wissenschaftler vor Ort sind. Die Kollegen aus Island würden sicher gerne mit ihrem Wissen und der jüngst gemachten Vulkan Erfahrung hier einige brauchbare Dinge beisteuern.

Warum die Bevölkerung von El Hierro trotz der drohenden Gefahr relativ ruhig und abwartend reagiert, hat vielleicht noch einen ganz anderen Grund. In einem der nächsten Beiträge möchte ich mal auf die Mentalität und die Grundeinstellung der Herrenos näher eingehen.

Sonntag, 30. Oktober 2011

El Hierro Vulkan - so kann man es auch sehen

Der Krisenstab Pevolca sieht keine Notwendigkeit zum jetzigen Zeitpunkt weitere Maßnahmen zu ergreifen. Das ist grob zusammengefasst das Ergebnis der heutigen Krisensitzung.
Wie der Direktor für Seguridad y Emergencias (Sicherheit und Notfälle) del Gobierno de Canarias, Juan Santana erklärte, gebe es wohl eine verstärkte seismische Bewegung im Golfo, die aber keine Gefahr für die Anwohner darstellt. Noch seien die Beben in 20 km Tiefe und bedeuten jetzt noch keine Eruptionsgefahr. Die Warnstufe für Frontera bleibt auf "Gelb" und das Tunnel 24 Stunden geöffnet.

Eine beruhigende Feststellung und Entscheidung des Krisenstabes.

In der Zwischenzeit rumort es im Untergrund weiter. Seit 15.30 Uhr bis um 21.00 Uhr - 24 gemessene Erdstöße mit einer Stärke von über 1,5 RSk. Davon eines um 18.03 Uhr mit 2,8 und ein weiteres um 18.57 mit 3,2 auf der Richterskala.

Aber es besteht nicht geringste Gefahr - so der Krisenstab.

El Hierro Vulkan - Krisenstab tagt

Wie bereits erwartet ereignete sich um 13.05 Uhr ein weiteres Beben mit 3,9 RSk. und um 15.23 Uhr von 3,2 RSk. Dazwischen mehrere kleinere Erdstöße. Inzwischen gehen auch die Wissenschaftler, noch nicht offiziell, von einer weiteren Eruption diesmal im Golfo aus. Wahrscheinlich sei ein Ausbruch im Küstenbereich, also im ufernahen Meer. Möglich sei aber auch ein Ausbruch in der Talebene. Kein Wissenschaftler möchte aber dem Krisenstab vorgreifen.
Der Krisenstab (PEVOLCA) tagt im Moment. Eine Entscheidung soll in Kürze fallen.
Zum Verstehen: Der Krisenstab ist ein politisches Instrument. Wissenschaftler sind nur beratende Mitglieder, also technische Gutachter. Entschieden wird von den Politikern. Das letzte Wort hat der Vorsitzende des Krisenstabes und das ist der Inselpräsident Sen. Armas.

Bleibt heute nur zu hoffen, daß die Gefahr erkannt wurde und nicht wieder eine wachsweiche Entscheidung dabei heraus kommt. Auch werden z. B. bei einer Alarmstufe "Rot" Finanzquellen in Madrid angezapft.


Die kumulierte Energiekurve spricht Bände. Die Tabelle umfasst den gesamten Zeitraum vom 16.7.11 bis heute. Gerade in den letzten Tagen steigt die Kurve förmlich senkrecht in den Himmel.

Die "grüne Brühe" hat inzwischen den kompletten Golfo erfasst. Anwohner berichten von starkem Schwefelgeruch.
Das Forschungsschiff "Ramon Margalef" wurde inzwischen auch wieder gesichtet. Es kreuzt vor dem Golfotal und untersucht den Meeresgrund auf mögliche Gasabsonderungen, Risse und evtl. entstehende Schlote.

Ich bleibe dran. Sobald Neues bekannt wird, melde ich mich.