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Mittwoch, 24. Oktober 2012

El Hierro - Entrüstung unter den Geologen

NEWS:
Auch gestern und in der vergangenen Nacht kein weiteres Beben unter El Hierro. Die Lage ist ruhig und die weitere Entwicklung muß jetzt erst einmal abgewartet werden.

Nicht ganz so ruhig geht es im Augenblick unter den Wissenschaftlern zu.

"Geologen können Erdbeben nicht vorhersagen"


"Ich sehe keine Möglichkeit mehr in Ruhe und Frieden in dieser Kommission weiter zu arbeiten" sagt der Vizedirektor Mauro Rosi von der höchsten italienischen Risikokommission (Krisenstab) nach dem Rücktritt seines Direktor Luciano Maiani. Mit ihm traten der Direktor des Institut für BauTechnologie, der Sektion von chemischen Risiken und des Institut für Naturgefahren von ihren Posten im Krisenstab zurück.
Über drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im italienischen L'Aquila wurden im Strafprozess am Montag alle sieben Angeklagten, sechs Wissenschaftler und ein Behördenvertreter - der Leiter des Krisenstabes - zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auch werden die Wissenschaftler lebenslang von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, die Gefahr des Erdbebens im April 2009 unterschätzt zu haben, bei dem 309 Menschen ums Leben kamen und Tausende verletzt wurden.

Die Geologen und der Beamte der Zivilschutzbehörde  hätten die Anwohner rund um L'Aquila nur „ungenau, unvollständig und widersprüchlich“ über die Gefahren eines Bebens informiert, die tatsächliche Lage herunter gespielt und so den Tod vieler Menschen einfach in Kauf genommen., so die Begründung der Anklage.
 

DDie Kirche "Chiesa delle Anime Sante di L'Aquila" (Foto Wikipedia) nach dem Beben. Sie hat noch am Besten die starken Erschütterungen überstanden.

Bereits Tage vor dem Beben berief der Leiter des Zivilschutz den Krisenstab, darunter Italiens führende Seismologen, in L'Aquila zusammen. "Wir werden jeden Schwachkopf zum Schweigen zu bringen der vor einem großen Beben warnt" - war seine Vorgabe, wie Tonaufnahmen belegen. Die anwesenden Wissenschaftler schwiegen, wider besseren Wissen. Wie etwa der anerkannte und in Fachkreisen geschätzte Direktor Enzi Boschi des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie. Er war es, der bereits 1995 vorhersagte, daß „innerhalb von 20 Jahren“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit es zu einem Großbeben in L'Aquila kommen werde. Davon war auf dem Krisentreffen von ihm nichts mehr zu hören. Zu seiner Verteidigung erklärte er vor Gericht: Herr des Verfahrens“ sei eben die Zivilschutzbehörde gewesen: "Wenn die mich bitten, dieses oder jenes zu sagen, dann sage ich das.“
 

Meinung der Wissenschaft zum Urteil

Nicht nur in Italien sondern in ganz Europa ist die Empörung groß. Hier einige Auszüge:
 
"Ein derart hartes Urteil, bei dem zudem noch alle angeklagten Experten über einen Kamm geschoren werden, hätte ich in einem Rechtsstaat nicht für möglich gehalten", sagte Marco Bohnhoff, Professor am Geoforschungszentrum in Potsdam.
 
Herbe Kritik an der Verurteilung der Geologen kommt auch von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). „Ich halte das für ein krasses Fehlurteil“, erklärte Christian Bönnemann, der Leiter des Seismologischen Zentralobservatoriums der BGR „Die Wissenschaft ist nicht in der Lage, Erdbeben vorherzusagen. Möglicherweise wird das auch nie gelingen.“
 
Peter Herzig, Direktor am Kieler Geomar-Institut, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, sagte, eine Vorhersage von Erdbeben sei "mit letzter Sicherheit" nicht möglich. Man habe zwar Anzeichen für Naturkatastrophen, aber "das ist keine Wissenschaft, in der man zwei und zwei zusammenzählt, und dann kommt vier heraus". Solche Vorhersagen könne niemand treffen.
 
Auch aus der Schweiz gab es Kritik. „Wir werden in Zukunft noch vorsichtiger kommunizieren müssen“, sagte der Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes, Stefan Wiemer. Die italienischen Kollegen hätten wissenschaftlich gesehen alles richtig gemacht.
 
"Wissenschaftler müssen einfach korrekt die Ergebnisse wiedergeben - mehr nicht", sagte der Geophysiker Jochen Zschau vom Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Leute zu beruhigen. "Das ist Aufgabe des Zivilschutzes oder anderer." Der Experte begrüßte, dass das Urteil eine Diskussion über die unsicheren Erkenntnisse der Wissenschaft anrege.
 
Von den direkt Betroffenen in L`Aquilar hört man im Gegensatz dazu nun Erleichterung:
 
"Endlich ein wenig Gerechtigkeit für L'Aquila" so der ehemalige Präsident der Provinz Stefania Pezzopane.
"Warum stahlen uns die Experten die natürliche Angst". Wir hätten uns rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Die Experten wiegten uns aber in Sicherheit. Nun müssen die Wissenschaftler für die Politiker als Sündenböcke den Kopf hinhalten - so ein Anwohner.
 
... und genau hier, an der Schnittkante zwischen Wissenschaft und Politik - liegt der eigentliche Knackpunkt. Damit werde ich mich in den nächsten Tagen etwas Näher noch beschäftigen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

El Hierro Vulkan - gestern kein Beben

NEWS:

Nach langer Zeit wieder einmal ein Tag ohne Beben. Die in der IGN Seismografen Aufzeichnung vorhandenen Balken waren technische Störungen. Seit 19. Juli 2011 wurden bisher 13.428 Erdstöße registriert. Meist viele schwache und für den Menschen nicht spürbare Beben.
Ein Gerichtsurteil sorgt vor allem unter den Wissenschaftlern in Italien für Gesprächsstoff.

Gericht verurteilt Krisenstab wegen Verharmlosung zu langjährigen Haftstrafen


Erdbeben in Italien: Ein Gericht hat sechs Geologen bzw. Vulkanologen und einen leitenden Behördenvertreter zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen das Erdbebenrisiko in der Abruzzenstadt L'Aquila verharmlost haben.
Alle Angeklagten bekamen jeweils eine sechsjährige Haftstrafe.

Was war vorgefallen? Alle Angeklagten waren Mitglied einer sogenannten Risikokommission - auf deutsch einem Krisenstab - der sich um das Management und die Sicherheit der Bewohner im erdbebengefährdeten Gebiet um LÀquila in Italien zu kümmern hatte.
Seit Wochen gab es bereits im März 2009 leichte Erdstöße. Noch 6 Tage vor der Katastrophe erklärte der Krisenstab - alles sei Normal und keine starken Erdbeben zu erwarten.

Am 6. April 2009 erschütterte ein ML6,3 Beben das Gebiet um L`Aquila. 309 Menschen wurden getötet und Tausende verletzt. Fast 80.000 Bewohner wurden obdachlos. Bild das Rathaus von L`Aquila (Quelle Wikipedia)

Nach Meinung der italienischen Staatsanwaltschaft, hat der Krisenstab die Gefahr verharmlost. Das Gericht folgte diesem Antrag und verhängte sogar ein noch höheres Strafmaß als die geforderten vier Jahre Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Es zeigt aber, daß in Italien auch öffentliche Organe wie hier der Krisenstab für Fehlentscheidungen bzw. unterlassene Warnungen mit Todesfolgen strafrechtlich belangt werden können. Auch wenn nach allen wissenschaftlichen Methoden ein Starkbeben nicht mit Gewissheit sicher vorhergesagt werden kann, erfordert es die Sorgfaltspflicht zum Schutze der Bewohner auch vorsorglich unpopuläre Massnahmen zu ergreifen und rechtzeitig zu warnen.
Auch Nachzulesen unter Gericht verurteilt Erdbebenforscher zu langen Haftstrafen im Spiegel- Online.
Es nimmt also erstmals auch Wissenschaftler in die Pflicht für Schäden zu haften. Ich kenne jetzt die Struktur und den Haftungsaufbau eines italienischen Krisenstab nicht so genau . In Deutschland besteht der Katastrophenstab aus einem Leiter, dem so genannten HVB (Hauptverwaltungsbeamten). Das ist in der Regel der Oberbürgermeister oder Landrat. Beigeordnet sind wissenschafliche oder technische Berater, meist Vertreter der Feuerwehr, THW oder des Roten Kreuzes. Bei Hochwasser- oder Bebengefahr auch Vertreter der Fachbehörden. Sie beraten den Leiter des Krisenstabes. Die alleinige Entscheidung und damit auch die Haftung für Folgen bleibt beim Leiter des Stabes.
Mir ist bisher in Deutschland kein Fall bekannt geworden, daß ein Gericht einen Krisenstab oder dessen Leiter wegen einer Fehlentscheidung oder unterlassener Warnung verurteilt hätte.