Dienstag, 23. Oktober 2012

El Hierro Vulkan - gestern kein Beben

NEWS:

Nach langer Zeit wieder einmal ein Tag ohne Beben. Die in der IGN Seismografen Aufzeichnung vorhandenen Balken waren technische Störungen. Seit 19. Juli 2011 wurden bisher 13.428 Erdstöße registriert. Meist viele schwache und für den Menschen nicht spürbare Beben.
Ein Gerichtsurteil sorgt vor allem unter den Wissenschaftlern in Italien für Gesprächsstoff.

Gericht verurteilt Krisenstab wegen Verharmlosung zu langjährigen Haftstrafen


Erdbeben in Italien: Ein Gericht hat sechs Geologen bzw. Vulkanologen und einen leitenden Behördenvertreter zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen das Erdbebenrisiko in der Abruzzenstadt L'Aquila verharmlost haben.
Alle Angeklagten bekamen jeweils eine sechsjährige Haftstrafe.

Was war vorgefallen? Alle Angeklagten waren Mitglied einer sogenannten Risikokommission - auf deutsch einem Krisenstab - der sich um das Management und die Sicherheit der Bewohner im erdbebengefährdeten Gebiet um LÀquila in Italien zu kümmern hatte.
Seit Wochen gab es bereits im März 2009 leichte Erdstöße. Noch 6 Tage vor der Katastrophe erklärte der Krisenstab - alles sei Normal und keine starken Erdbeben zu erwarten.

Am 6. April 2009 erschütterte ein ML6,3 Beben das Gebiet um L`Aquila. 309 Menschen wurden getötet und Tausende verletzt. Fast 80.000 Bewohner wurden obdachlos. Bild das Rathaus von L`Aquila (Quelle Wikipedia)

Nach Meinung der italienischen Staatsanwaltschaft, hat der Krisenstab die Gefahr verharmlost. Das Gericht folgte diesem Antrag und verhängte sogar ein noch höheres Strafmaß als die geforderten vier Jahre Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Es zeigt aber, daß in Italien auch öffentliche Organe wie hier der Krisenstab für Fehlentscheidungen bzw. unterlassene Warnungen mit Todesfolgen strafrechtlich belangt werden können. Auch wenn nach allen wissenschaftlichen Methoden ein Starkbeben nicht mit Gewissheit sicher vorhergesagt werden kann, erfordert es die Sorgfaltspflicht zum Schutze der Bewohner auch vorsorglich unpopuläre Massnahmen zu ergreifen und rechtzeitig zu warnen.
Auch Nachzulesen unter Gericht verurteilt Erdbebenforscher zu langen Haftstrafen im Spiegel- Online.
Es nimmt also erstmals auch Wissenschaftler in die Pflicht für Schäden zu haften. Ich kenne jetzt die Struktur und den Haftungsaufbau eines italienischen Krisenstab nicht so genau . In Deutschland besteht der Katastrophenstab aus einem Leiter, dem so genannten HVB (Hauptverwaltungsbeamten). Das ist in der Regel der Oberbürgermeister oder Landrat. Beigeordnet sind wissenschafliche oder technische Berater, meist Vertreter der Feuerwehr, THW oder des Roten Kreuzes. Bei Hochwasser- oder Bebengefahr auch Vertreter der Fachbehörden. Sie beraten den Leiter des Krisenstabes. Die alleinige Entscheidung und damit auch die Haftung für Folgen bleibt beim Leiter des Stabes.
Mir ist bisher in Deutschland kein Fall bekannt geworden, daß ein Gericht einen Krisenstab oder dessen Leiter wegen einer Fehlentscheidung oder unterlassener Warnung verurteilt hätte.

4 Kommentare:

  1. Das Urteil ist ein Skandal!

    Ich zitiere aus
    http://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben#Vorhersage

    Die zeitlich und räumlich exakte Vorhersage von Erdbeben ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht möglich. Die verschiedenen bestimmenden Faktoren sind qualitativ weitestgehend verstanden. Auf Grund des komplexen Zusammenspiels aber ist eine genaue Quantifizierung der Herdprozesse bislang nicht möglich, sondern nur die Angabe einer Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Erdbebens in einer bestimmten Region.......

    Wegen des volkswirtschaftlichen Schadens und eventueller Opfer (Massenpanik oder Massenhysterie) ist eine Frühwarnung der Bevölkerung vor einem einzelnen Erdbeben nur sinnvoll, wenn die Zahl der zu erwartenden Opfer des Erdbebens als sehr groß eingeschätzt wird, oder wenn das Erdbeben sehr genau in Raum und Zeit vorausgesagt werden kann.

    Ende Zitat

    Man sollte eher fragen, warum in einem gefährdeten Gebiet die Bauvorschriften für "Erdbeben sicheres Bauen"
    von der Verwaltung der Stadt und der Politik nicht angewendet werden und der Wiederaufbau so schleppend voran geht?

    mfg

    Heiner Rohling

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    1. @Heiner
      Grundsätzlich ist ihre Darstellung richtig, aber...Endlich, bin ich geneigt zu sagen, werden Wissenschaftler für Fehlprognosen verurteilt. Immerhin führen die Aussage von Wissenschaftlern im täglichen Leben zu drastischen Mass nahmen, ob es nun der Wahrheit entspricht oder nicht, siehe Klimawandel, bleibe dahin gestellt . Etwas Zurückhaltung wäre aufgrund der Folgen von Vorhersagen durchaus wünschenswert. Wer eine Prognose stellt, sollte auch die Verantwortung dazu tragen. Doch handelte es sich im Fall von L'Aquila nicht um eine falsche Vorhersage, sondern um eine falsche Einstufung der Gefahr. Ein wesentlicher Unterschied. Aus meiner langjährigen Funktion als Einsatzleiter und Stabschef kann ich Ihnen vor allem eines sagen: Im Zweifelsfall für die Sicherheit!
      mfg
      Geri Kiechler

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    2. Soweit ich das verstanden habe, war die Aussage des einen Wissenschaftlers so beschwichtigend, weil ein Scharlatan ein großes Erdbeben vorhergesagt hat(natürlich zu einem völlig anderen Datum und an einem anderen Ort!) und die Medien darauf aufgesprungen sind.
      Fakt ist nach wie vor, dass Erdbeben nicht vorhersagbar sind. Und wie sich die Wissenschaftler zukünftig verhalten, hm...Es grummelt unter Neapel. Also ehe ich für Massenmord angeklagt werde, lasse ich doch lieber die Stadt räumen...!? Eine solche Entscheidung sollte doch nicht unter dem Druck einer möglichen Bestrafung entstehen, sondern unter Berücksichtigung aller wesentlichen wissenschaftlichen Faktoren.
      Wie gesagt, ist alles nicht so einfach zu beurteilen. Ich hoffe trotzdem, dass doch noch ein Freispruch kommt. Und dass man dann die Kommunikation verbessert, erdbebensicherer baut und vielleicht den Leuten aus Aquila ihre Stadt wieder herrichtet.

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  2. Nach allem, was ich dazu gelesen habe, muss man das Thema doch etwas differenzierter betrachten. Die sind immerhin zu sechs Jahren Haft verurteilt worden! Für Totschlag! Dafür, dass man Erdbeben nicht vorhersagen kann?
    Diskutiert wird ja auch, was für ein Signal da ausgesandt wird.

    Hier ist ein interessanter Artikel zum Thema, mit weiteren Links und Kommentaren:
    http://www.wired.com/wiredscience/2012/10/the-verdict-of-the-laquila-earthquake-trial-sends-the-wrong-message/#disqus_thread

    Passenderweise sieht es so aus, dass zum Ende des Jahres massiv Stellen beim INGV abgebaut werden (siehe Post am 18.10.12):
    http://www.flickr.com/photos/etnaboris/
    M. F.

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