Sonntag, 4. März 2012

El Hierro Vulkan - und die Menschen

NEWS:
Auch gestern und in der Nacht gab es wieder eine Reihe von leichten Erdstößen. Der stärkste Erdstoß lag bei ML1,7. Die Lage der Beben ist aus der Avcan Grafik zu entnehmen. Der Tremor zieht als Bändchen unauffällig seinen Weg. Auch der Blick durch die Webcam lässt keine sichtbare Aktivität im Süden erkennen. Ein ruhiges Wochenende !
Wollen wir uns heute mal mit den Menschen auf El Hierro, den Herrenos etwas näher beschäftigen. Die Herrenos gelten selbst auf den Kanaren als abgeschiedenes, etwas eigenbrödlerisches, ein als fernab der jetzigen Zeit lebendes Völkchen. Alle Canarios kennen sie, haben aber meist selbst die Insel noch nicht besucht.
Plaza Prinzipal in Valverde
"Dort gibt es nichts außer einigen Bergen und Ziegen und viel Ruhe. Außer Wasser und Brot und etwas Ziegenkäse gibt es nichts zu essen. Es sei daher ratsam genügend Lebensmittel auf die Insel mitzunehmen."  Das waren die warnenden Stimmen der alten Palmeros vor meinem ersten Besuch auf dem Nachbarinselchen. Dies hat vielleicht noch den Zustand vor 20 Jahren beschrieben. Heute sieht es dort doch etwas anderst aus. Wie eine Dampfwalze ist die "moderne Zeit" mit all ihren Errungenschaften und EU Subventionen über die Insel gefegt und hat so einiges verändert. Wer könnte nicht besser den Herreno und das Spannungsfeld beschreiben, als eine deutsche Residentin die seit fast 3 Jahrzehnten auf El Hierro lebt und mit einem Insulaner verheiratet ist.

 Lassen wir Karin aus ihrer Erfahrung einfach erzählen: 
"El Hierro und die Herreños
Die Kommentare der letzten Tage, Sensationalismus oder geologisches Interesse, die Einwohner und so weiter, ließ es mir in den Fingern kribbeln..

El Hierro ist weiterhin ein kleines Paradies, z.Zt ein etwas trockener Blumentopf im Atlantik, Gott sei Dank, für Bewohner und Touristen, wieder angstfrei zu geniessen.

Die Herreños sind ein liebenswertes Völkchen, aber in der Tat ganz anders als die Deutschen. Der Präsident der Kanaren hat einmal gesagt, dass die Inseln der Entwicklung Nordeuropas 30 Jahre hinterher hinken, was besonders auf die Kleinste zutrifft. 40 Jahre Franco Diktatur, die Knute einer streng katholischen Erziehung, dazu eine starke soziale Kontrolle und die Abgeschiedenheit des "Endes" der alten Welt haben die Menschen geformt. Ende der 70iger Jahre wurde El Hierro plötzlich in die Neuzeit katapultiert, eine Herausforderung für die kleinen Dörfer und die minimal größere Inselgemeinschaft. Großgrundbesitzer und Dienstbotenmentalität werden nicht von einem Tag auf den anderen abgelegt, Demokratie, die neuen Technologien, Fremdsprachen, service know how und eine Organisation nach europäischen Regeln wollen erst gelernt werden, die Bewusstseinsveränderung braucht ihre Zeit und funktioniert nicht auf Knopfdruck.

In 27 Jahren auf El Hierro habe ich kapiert, dass weder mein Mann, noch seine Familie so werden wollen wie ich bin, also habe ich mich geändert und gelernt Geduld zu haben, mich und meine Umgebung nicht mehr mit meinem deutschen Perfektionismus zu überfordern, ich weiss, dass Sicherheit eine Illusion ist, mañana gehört jetzt auch zu meiner Lebenseinstellung, Unpünktlichkeit ist nicht mehr so tragisch, ich erlebe, dass selten etwas so funktioniert, wie ich es gern hätte, dass wir mitten im Atlantik den Naturgewalten ziemlich ausgeliefert sind und ein Flugausfall mich evtl. davor bewahrt abzustürzen, tranquila..

Die Menschen sind hier genauso nett oder auch nicht, wie überall woanders auf der Welt. Ein überarbeiteter, gestresster Urlauber findet auf El Hierro seine Ruhe, fühlt sich von den etwas langsameren, hilfsbereiten Menschen angezogen, feiert ihre folkloristischen Fiestas mit, geniest die Berge das Meer, den Horizont, weit ab von der Hektik zu Hause und kann abschalten.

Steckt man allerdings im Arbeitsalltag oder ist Hausbesitzer/bauer, sieht es etwas anders aus : endlos lange Behördengänge, man flucht über die Inkompetenz vieler Beamter, die sich ständig ändernden Gesetze, Flug und Fährzeiten, die Unpünktlichkeit und die Unzuverlässigkeit der Handwerker, findet, dass es zu viele Fiestas gibt u.s.w..

Hat man eine realistische "Mitte" gefunden, meint nicht auf einer deutschen "Zweigstelle" im südlichen Meer zu sein und kann die Einheimischen so anders sein lassen wie sie sind, lässt es sich ganz gut hier leben.

Ich wollte so gern etwas für die Ehrenrettung der Fischer in La Restinga tun, klappte bis jetzt aber leider nicht. Viele Insulaner sind davon genervt, dass es kaum frischen Fisch gibt und können nicht verstehen, warum Boote von anderen Inseln kommen und mit fetter Beute im Schlepp die Fischgründe vor Tamaduste wieder verlassen, während bei den Fischern von La Restinga keinerlei Aktivität zu beobachten ist. Meine ,vor einer Woche gestellte Anfrage beim Patronato de Turismo und beim Rathaus in El Pinar und mein Angebot etwas zum Thema auf dem Blog zu schreiben, verpufften im Eldiscreto.. Quizas mañana??" - soweit Karin Kamm. Vielen Dank.

Zum Thema Unterwasser-Vulkan habe ich noch einige Bilder aus aller Welt gefunden, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.


8 Kommentare:

  1. Guter, aktueller Bericht. Danke - und weiterhin ein gutes Leben auf der Insel!
    H. Kritikos

    AntwortenLöschen
  2. Hola Karin,

    ich möchte dir ein RIESENGROSSES Kompliment für deinen Kommentar machen. Du sprichst mir aus der Seele - genau so ist es, wenn man "unsere" Insel mit wachen Augen wahrnimmt.

    Die Herreños haben sowohl ihre liebenswerten als auch ihre manchmal etwas unverständlichen Seiten.
    Die Geschichte zeigt auf, dass die Insel ganz lange zu den Vergessenen der Kanaren gehörte. Es gab vor Zeiten weder Telefon, noch TV oder Flugzeuge. Schiffe kamen selten (dafür abenteuerlicher). Die schulische Ausbildung war mehr als miserabel. Und die Franco-Zeit tat ihr übriges. Traditionsgemäß entschieden die wichtigen Familienclans über Recht und Gesetz. Auch heute noch spürt man die Einflüsse der big families auf Schritt und Tritt.
    Die jetzige, junge Generation aber nimmt mit Riesenschritten die Trends der Zeit auf. In den Schulen werden Sprachen gelernt, "Nebenfächer" wie Kunst und Musik haben inzwischen einen Stellenwert. Doch vor allem wächst das Verständnis des sorgsameren Umgangs miteinander - was richtig Hoffnung macht. Zum Beispiel Respekt vor Frauen und Mädchen - oder die Achtung vor dem Tier.

    Ich möchte noch hinzu fügen, dass El Hierro vermutlich zu den sichersten Plätzen Europas gehört. Wo sonst wohl muss man sein Haus nicht verschließen oder das Auto nicht abschließen und sogar den Schlüssel stecken lassen? Unsere splendid isolation-Situation hat durchaus Vorteile: Hier kennt (fast) jeder jeden, viele Augen beobachten vieles und Hafen und Flughafen werden so freundlich-dezent kontrolliert, dass kaum was von der Insel verschwinden kann.

    Karin, nochmals vielen Dank für deine Gedanken.
    Sicher tragen sie auch dazu bei, das Besondere und das Schöne von El Hierro all denen näher zu bringen, die ein ganz besonderes Urlaubsziel suchen ...

    Saludos
    Barbara

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Barbara

      Das hört sich schon bessen an ;-).

      Aber wegen deines Negativbeitrags von gestern:

      Warum soll ich als "Fischer" Spritt verplempern oder Leute bezahlen wenn ich andere Fische normal fangen gelernt hab?

      "dass kaum was von der Insel verschwinden kann."

      Ziegen gefunden? ;-)

      Nix für ungut aber so kam es wohl manch einem so rüber:

      "Unsere splendid isolation-Situation hat durchaus Vorteile"

      Übrigens deine Beispiele gibt es auch in Kleinstädten in Deutschland. Meine Nachbarn fragen auch nach wenn wenn man mich nicht auf der Straße sieht oder schließen sogar mein WoMo ab wenn Frau mal wieder vergessen hat die Beifahrertür zu schließen.

      Ist somit kein Privileg bei euch ;-)!

      Wenn Menschen durch den Diskreten auf euren Smaragd im Atlantik aufmerksam wurden ist das doch nicht falsch.

      1,2 Mio Besucher des Blogs dürften sicherlich erschreckend sein im Zähler. Aber bestimmt 50.000 Besucher sind nur meine Person.

      Löschen
  3. Hola Jürgen -

    erst mal danke für deine Meinung, dass sich mein Kommentar besser angehört hat als mein "Negativbeitrag" von gestern.

    Falls du der Meinung warst, ich sei so eine aggressive Kacksuse und Minusmaus, dann solltest du dir meine Kommentare der letzten Monate mal genau anschauen (einige wurden leider von Manfred gelöscht, aber auch die waren aber durchaus positiv).

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass vieles in Sachen Eldiscreto hoch stilisiert und dramatisiert wurde - und viele Blog-Meinungen reine Katastrophen-Neugier waren. Deshalb habe ich immer versucht, die Kirche im Dorf zu lassen - und meine authentisch/persönlichen Eindrücke vor Ort zu kommunizieren.

    Was ich toll fand, dass Manfred unermüdlich Tag für Tag die neuesten Infos gesammelt und publiziert hat.
    Was ich besonders toll fand, war die unglaubliche Resonanz so vieler Hobby- und Profi-Vulkanologen - die sich kompetent über dieses (fast) einmalige Naturschauspiel Gedanken gemacht haben.

    Jetzt noch ein kleiner Piekser (typisch für Barbara): Dass dörfliche Idyllen in Deutschland funktionieren, steht außer Frage. Da wird bestimmt kein Auto geklaut. Aber in den europäischen Urlaubszielen sieht das oft anders aus. Da musst du schon Geld und Wertsachen im Hotelsafe sichern oder mit einem Brustbeutel im Straßencafé deinen Drink genießen ...

    Noch mal:
    El Hierro ist auf seine Art einmalig.
    Falls du mal hier sein solltest: Fahre zum Faro de Orchilla. Hier wurde bis 1883 der Nullmeridian gemessen - ein historisch ungemein interessanter Ort!
    Sehr viel später verabschiedeten Frauen und Kinder ihre Männer, die aus wirtschaftlicher Verzweiflung mit kleinen Booten über den Atlantik ihr Glück in Mittel- und Südamerika suchten. Heute schläft der Faro fast unentdeckt vor sich hin. Voller Historie - aber ohne Vermarktung. Alles ist still und ehrlich. Es gibt keine Busse mit Touristen, keine Andenkenläden, keine Pommesbuden. Du sitzt einfach vor dem Leuchtturm, hörst die Brandung, schaust auf das unendlich weite Meer, fühlst die Historie. Und bist glücklich ...

    Saludos
    Barbara

    AntwortenLöschen
  4. Jürgen,
    kleiner Nachtrag:

    Wenn du 50.000 Blogbesuche meldest, muss ich nachkarten.
    49.999 kommen auf mein Konto!

    Saludos
    Barbara

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Barbara
      Ich schätze deine Meinung sehr wenn du auch manchmal etwas üerreagierst. Muß dir leider recht geben, das fast in allen Urlaubszielen der Nepp und der Raub sehr hoch ist. Wo ich mich eigentlich sicher fühlte war auf La Gomera. Ich war fast auf allen Kanaren-Inseln ausser auf El hierro und La Palma was ich gerne nachholen möchte. Konnte leider die letzten 2 Jahre nicht weg weil meine Frau sehr krank wurde. Vieleicht klappt es heuer. Was ist aus den Ziegen geworden? Jürgen fragte schon mal.
      VLG
      josch

      Löschen
  5. Jetzt kommen wir schon wieder in die andere Superlative die Award verdächtig ist. Habt Ihr überhaupt noch Zeit gehabt, Fernsehen zu schauen, ein Buch zu lesen, die Rebstöcke zu schneiden oder Euch um die Frau/Mann oder Tiere zu kümmern? Da gibt es aber jetzt viel Nachholbedarf.
    Auf jeden Fall freut es mich, daß Eldiscreto und meine kleinen Beträge Euch so unterhalten haben.
    Gruß
    Manfred

    AntwortenLöschen
  6. Auch hier in der Schweiz wird langsam auf El Hierro aufmersam gemacht.

    http://www.migrosmagazin.ch/leben/reisen/artikel/willkommen-am-ende-der-welt

    Ich wünsche der kleinen Insel viele Touristen (aber bitte nicht so einen Rummel wie in Playa del Ingeles). So dass es noch ein wenig von seiner Ruhe und Ursprünglichkeit behalten kann.

    Grüsse Heidy aus der Schweiz.

    AntwortenLöschen

Bitte Kommentare immer mit Ihrem Namen versehen. Danke!